-
Gründung 1946
Das sogenannte Männerblindenwohnheim gehörte ab 1911 zur Landesblindenanstalt, einer Schule und Ausbildungsstätte für blinde Mädchen und Buben. Geführt wurde das Haus damals noch von der sogenannten „Blindenfürsorge“, welche mit privaten Spenden diese Institution erhielt. Eine staatliche Unterstützung gab es noch nicht. Nach dem zweiten Weltkrieg änderte sich vieles: Nun hatten Blinde erstmals die Chance durch ihre Ausbildung einen Beruf auszuüben und ihre Interessen selbst wahrzunehmen, beziehungsweise sich dafür einzusetzen. So entstand im November 1946 auf Eigeninitiative zwanzig engagierter blinder Männer der "Kärntner Blindenverband" als Selbsthilfeorganisation. Sie sammelten Spenden für Betroffene und gaben diese weiter. Im Laufe der folgenden 70 Jahre entwickelte sich ein reges Vereinsleben.
-
Lebens-bedingungen
Während der beiden Weltkriege war das Männerblindenwohnheim die erste Anlaufstelle für an der Front erblindete. Es gab noch eine sehr ungerechte Unterteilung zwischen Kriegs- und Friedensblinden. Die Veteranen erhielten eine Rente, während von Geburt an Blinde auf Almosen angewiesen waren und auf die Unterstützung durch ihre Familien. Wo das nicht möglich war, wurden sie „befürsorgt“ – das bedeutete, man sorgte mit privaten Spenden für Essen, Kleidung und Wohnen.
Bis zu dreißig Männer wurden im Haus in Vierbett-Zimmern untergebracht. Die Ausstattung war sehr spartanisch: In den hohen Räumen gab es mehrere Stockbetten aus Eisen, auf denen man aber halbwegs gut schlafen konnte, wenn man genügsam war. Für das ganze Haus existierten zwei Duschen im Keller. Zu Beginn wurde mit Einzelöfen geheizt, die sich in den Schlafsälen und der Werkstatt befanden. Das Essen für die Bewohner wurde mit Eimern auf einem Leiterwagen aus der Kantine des nahe gelegenen Krankenhauses gezogen, bevor es im Aufenthaltsraum ausgegeben wurde. In der Freizeit beschäftigten sich viele mit Lesen, aber auch mit Kartenspielen und Schach. Eine der ersten Möglichkeiten für Blinde am kulturellen Leben teilzunehmen, war über den Empfang von Rundfunksendungen. Heute fast nicht vorstellbar, war es nicht selbstverständlich, dass alle Blinden ein solches Gerät kaufen konnten. Es wurden Unterstützungen ausbezahlt, um einen Rundfunkempfänger zu kaufen.
-
Werkstätte
Seit 1911 konnten blinde Männer nach der Schulbildung den Beruf des Bürstenbinders oder Korbflechters erlernen. Die Arbeiter bekamen ihre Entlohnung pro eingezogenem Loch.
Im Jahre 1964 wurde von der Landesgruppe die erste Behindertenwerkstätte Österreichs eingerichtet, in der nicht nur Blinde, sondern auch andere Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung, Arbeit fanden. In Spitzenzeiten, in den späten 1960er-Jahren, waren in der „ABC Werkstätte“ über 60 Personen beschäftigt. Mit Geldern aus dem Ausgleichsfonds wird diese Werkstätte vom Sozialministerium finanziert. Heute sind noch sieben Mitarbeiter in der Werkstätte in der Gutenbergstraße beschäftigt.
Das Handwerk des Besenbinders hat sich in all den Jahren kaum verändert. Große Betriebe, die öffentliche Hand und Schulen kaufen die hier gefertigten haltbaren Blindenerzeugnisse bis heute – also seit fast 50 Jahren.
-
Berufswelten
Der Beruf Stenotypist entstand im Zweiten Weltkrieg, da Blinde mit der Braille- Kurzschrift wesentlich schneller schreiben konnten als andere. Bis zu 240 Silben pro Minute sind sehr schnell! Als Gerichtsstenotypisten und in großen Betrieben fanden viele Blinde eine gut bezahlte Arbeit. Möglich machte dies eine Erfindung von Oskar Picht. Der Berliner bekam das Patent für den "Streifenschreiber", eine kleine Punktschriftmaschine, in die man Papierrollen einlegt. Er wurde als Notizgerät von Stenotypisten benutzt. Da man nicht ständig ein neues Blatt Papier einlegen muss, kann man sehr lange und schnell schreiben. Die Beschäftigungssituation der Blinden in Kärnten war nach 1945 geprägt von einer wesentlichen Verschiebung der Berufsgruppen aus dem Handwerk und der Industrie hin zu typischen Büroberufen. Manche dieser Berufe sind inzwischen „ausgestorben“ - wie Telefonist und Stenotypist. Mitglieder des Verbandes arbeiten in verschiedensten Berufsgruppen als Organist, Musiklehrer, Klavierstimmer, Masseure, Angestellte und Beamte. In den 1990er-Jahren kamen neue Berufe wie Programmierer und EDV-Techniker und Fahrradmechaniker hinzu.
-
Rechte für Blinde
Blinde mussten oft für ihre Rechte kämpfen. Die erste gesetzliche Unterstützung erhielten Blinde ab dem Jahr 1956, als man das Blindenbeihilfengesetz beschloss. Wenn das Gesetz damals auch noch viele Härten aufwies, so war es doch der erste sozialrechtliche Anspruch, den die Zivilblinden österreichweit erwirkten. Diese Beihilfe diente dazu, die Mehrkosten der Blinden abzudecken. D.h. alle Kosten, die für Blinde entstehen, weil sie viele Dinge nicht selbst erledigen können. Zuerst wurde diese Beihilfe nur Kriegsblinden zugesprochen. Als die Mitglider des Blindenverbandes argumentierten, dass sie diesen Aufwand ebenfalls haben, wurde es schließlich auch ihnen zuerkannt, nachdem man dafür lautstark vor der Landesregierung protestierte.
Über viele Jahre änderte sich nichts an der finanziellen Situation. 1992 sollten dann alle Behindertenverbände in einem Pflegegeldgesetz zusammengefasst werden. Ohne eine eigene Lobby musste man sich zu seinem Recht verhelfen, denn auch die Praktischblinden, Vollblinden und Schwerstsehbehinderten wollten unter diese Regelung fallen. Der Präsident des Österreichischen Blindenverbandes, Klaus Martini, reiste zusammen mit vielen Betroffenen nach Wien. Er sprach beim damaligen Gesundheitsminister Josef Hesoun vor und erreichte eine Einstufung in die Pflegestufen drei und vier, statt wie vorher geplant nur die Stufen zwei und drei, was zu massiven Einbußen und Verschlechterungen für die Situation der Blinden und Sehbeeinträchtigten geführt hätte. Die österreichischen Blindenverbände mobilisierten 1500 Mitglieder vor dem Ministeramt. Mit dabei war 1992 auch eine Delegation von rund 80 Personen aus Kärnten.
-
Beginn der Barrierefreiheit
Sehbehinderte und blinde Menschen sind auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. In der Stadt Klagenfurt gab es schon ab den 1950er-Jahren ermäßigte Preise für blinde und praktischblinde Fahrgäste, etwas später kam die Freifahrt. Als der Verband vor 70 Jahren gegründet wurde, hatten noch wenige Kärntner ein Auto, inzwischen sind es manchmal zwei pro Haushalt. Der Verkehr hat sich vervielfacht und wurde immer gefährlicher, daher hat das Verkehrsgremium des Blindenverbandes ab den 1970er-Jahren zahlreiche Forderungen gestellt. So gelang es dem Kärntner Blindenverband schon in den 1990ern, dass in Klagenfurt und Villach akustische Ampeln installiert wurden. Eine der wichtigsten Aufgaben des Verbandes ist seit dem Behindertengleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2006 die Erteilung von Auskünften in bauspezifischen Angelegenheiten. Er berät Architekten und Bauträger bei Neubauten, die blinden- und sehbehindertengerecht ausgeführt werden sollen. Der BSVK war schon bei etwa 200 Bauverfahren bzw. Schlichtungen anwesend, außerdem gab es Begehungen von rund 30 Großprojekten, darunter das Klinikum Klagenfurt, die neue Kärnten Therme im Warmbad Villach und der Bahnhof in Klagenfurt als Vorzeigemodell für Barrierefreiheit in Österreich.
-
Freizeit und Sport
Für seine Mitglieder organisiert der Verband zahlreiche Ausflüge, Reisen und Clubnachmittage. Er versucht Betroffene aus ihrer sozialen Isolation heraus zu holen und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Der Verband ist kulturell vielfältig orientiert, egal ob Theaterbesuch, Opernbesuch, Kinoabende oder Hausmusik. Vorlesestunden und Sprachkurse runden das Angebot ab.
Seit über 50 Jahren existiert die Turngruppe, die sich wöchentlich im Herbertgarten bzw. in der Westschule in Klagenfurt trifft. Schon vor 20 Jahren wurde im Keller des Verbandshauses eine professionelle Blindenschießanlage eingerichtet. Etliche Blinde Schützen aus Kärnten sind seither Europa- und Staatsmeister geworden. Außerdem gibt es ein Fitnesscenter, eine Infrarotsauna und einen Tischtennis-Tisch, auf dem man nach Gehör spielt. Auch außerhalb des Verbandshauses wird fleißig Sport betrieben, z. B. beim Nordic Walking am nahen Kreuzbergl, auf Wanderwochen, in Yoga- und Selbstverteidigungskursen und auf anspruchsvollen Tandem-Touren.
-
Technische Neuerungen
Der Verband muss mit der Zeit gehen. In den späten 1970er-Jahren kamen die ersten größeren technischen Errungenschaften für Blinde nach Kärnten. Immer mehr Hilfsmittel und erste Computer mit Braillezeile wurden angeboten. Seit Mitte der 1990er- Jahre gibt es spezielle Software, welche die Buchstaben um ein Vielfaches vergrößert und durch Sprachausgabe unterstützt. In Kärnten sind diese Programme seit dem Beginn der 2000er-Jahre im Einsatz. Wir bieten laufend Computerkurse auf vier blinden- und sehbehindertengerechten Schulungsplätzen an. Geschulte Lehrkräfte können auf die individuellen Bedürfnisse der Klienten eingehen, um sowohl für die Aufgaben am Arbeitsplatz, als auch für den Freizeitbereich bestens gerüstet zu sein. Man ist stets bemüht, technische Fortschritte verfügbar zu machen. Dafür gibt es einen eigenen Hilfsmittelshop mit Lesegeräten für Sehbeeinträchtigte, außerdem zahlreiche Licht- und Lupensysteme. Es besteht die Möglichkeit viele Hilfsmittel kostenlos zu entleihen und diese zu Hause oder am Arbeitsplatz zu testen.
-
Festschrift
Dieser geschichtliche Abriss ist ein Auszug aus der im Jahr 2016 verfassten, hochwertigen Festschrift - anlässlich des 70. Geburtstages des BSVK. Wenn Sie diese Festschrift auf dem Postweg erhalten möchten, bitten wir Sie um ein Mail an officeoffice@bv-ktn.at oder einen Anruf unter: 0463/55822.